In Trier „wie zuhause“, bei der WM mit Traumziel Halbfinale
Interview mit Anja Althaus, Managerin der Frauen-Nationalmannschaft und zugleich Botschafterin des Frauen-WM-Spielorts Trier.

Anja Althaus vor der SWT Arena. © Björn Pazen
Von der Bundestrainertagung in der Schweiz nach Trier, von dort ins heimische Dessau und seit Montag bei Lehrgang der Frauen-Nationalmannschaft in Krefeld: Anja Althaus machte reichlich Kilometer in den vergangenen Tagen – und dies gleich in zwei Funktionen. In ihrer „alten Heimat“ Trier absolvierte die frühere Nationalspielerin zahlreiche Termine als Botschafterin für den Frauen-WM-Spielort, unter anderem beim Aktionstag „Trier spielt“, in Krefeld ist sie als Managerin der Frauen-Nationalmannschaft. In diesem Interview spricht Althaus über ihre zwei Jobs mit Blick auf die WM und die Chancen des deutschen Teams.
Wie war es für Sie, wieder zurück nach Trier zu kommen?
Anja Althaus: Es war toll, wieder hier zu sein. Aus meinem Hotelfenster konnte ich die Porta Nigra sehen, das hatte ich noch nie. Das hat etwas Magisches. Es war direkt so ein Gefühl, ich bin wieder zu Hause. Ich bin eine Runde durch die Altstadt gegangen. Auch wenn sich viele Geschäfte geändert haben, war das Gefühl immer noch dasselbe. Ich habe dann bei ‚Trier spielt‘ viele bekannte Gesichter von früher gesehen. Als wir zum Länderspiel im März hier waren, hatte ich für solche Treffen keine Zeit. Und dann mit den vielen Kindern Handball zu spielen und den Menschen ins Gespräch zu kommen, war genial. Auch bei den Terminen in der Arena kamen viel alte Erinnerungen wieder hoch. Da wurde ich schon etwas melancholisch, als ich über diese alten Zeiten nachdachte. Trier war so eine prägende Zeit, die in meinem Herzen und in meinem Karriereweg immer eine absolute Bedeutung hat für den Rest meines Lebens.
Das heißt, man musste Sie nicht zweimal fragen, als es darum ging, eine WM-Botschafterin für den Spielort Trier zu finden?
Anja Althaus: Auf gar keinen Fall. Also ich wäre sogar beleidigt gewesen, wenn der DHB es nicht gemacht hätte und hätte die Welt nicht mehr verstanden – gerade, als ich dann auch als Nationalmannschaftsmanagerin wieder zum DHB zurückkam.
Auch wenn Sie während der Weltmeisterschaft in Stuttgart beim deutschen Team sein werden – wie groß ist die Vorfreude, dass wieder Weltklassehandball in Trier zu sehen sein wird?
Trier ist auf jeden Fall eine Handballstadt, das haben wir über viele Jahre bewiesen. Und die vielen Handballfans sollen sich einfach wieder daran erinnern, wie cool es damals mit den Miezen war und wie cool Frauenhandball ist. Also kommt alle zur WM in die Arena! Die Halle ist überragend und perfekt für Frauenhandball. Ich weiß von früher, dass Leute hier Frauenhandball einfach lieben – und diese tolle Arena verdient einfach Spitzenhandball.
Wie bewerten Sie die acht Teams, die in Trier spielen werden?
Anja Althaus: Es ist so ein richtig bunter Blumenstrauß mit so vielen verschiedenen Handballstilen – und eine WM macht echt Spaß, denn es kann viele Überraschungen geben. Wenn man die Chance hat, Olympiasieger Norwegen mit Stars wie Henny Reistad, Nora Mörk oder Katrine Lunde zu sehen, muss man das einfach machen. Die Trierer sollten stolz sein, solche Weltstars in ihrer Stadt zu haben, sie live spielen zu sehen, oder ein Foto mit ihnen zu machen. Das kannst du danach deinen Kindern, Enkeln und Urenkeln zeigen, weil das einfach große Nummern im Handball sind.
Und die übrigen Teams in Trier?
Anja Althaus: Angola spielt einen ganz besonderen, physischen Handball, gegen die haben wir bei der WM 2011 in Brasilien verloren, die kleinen Südkoreanerinnen haben eine ganz andere Struktur im Spiel und sind super-diszipliniert. Die sind seit vielen Jahren eine Hausnummer im Frauenhandball. Und ich bin super gespannt auf die Färöer – ein kleines Land mit einem großen Handballherz. Das sind echte Wikinger mit überragenden Fans. Als die Männer bei der EM in Berlin spielten, war das Land halbleer, weil alle in Berlin waren. Ich bin mir sicher, dass ganz viele Fans der Färöer nach Trier kommen, weil die Frauen ja das erste Mal bei einer WM sind. Das ist so ein interessantes Völkchen, das seinen Sport liebt, Und die Spielerinnen haben Energie und Riesenstolz, ihr Land zu repräsentieren. Kurzum: die WM in Trier lohnt sich auf jeden Fall. Ich hoffe, die Arena ist richtig voll – damit wir zeigen können, dass es hier anders ist als in anderen Ländern, wo du eine EM oder WM vor leeren Tribünen spielst. Das hat auch mit Respekt vor den Teams zu tun. Zudem kann so eine WM dazu führen, dass viele Kinder, speziell Mädchen, sagen, ich will auch mal Handball spielen. Und dann haben die Vereine in der Region Trier auch etwas davon.
Wie viel werden Sie denn in Stuttgart von den Spielen in Trier mitbekommen?
Anja Althaus: Sehr viel! Schließlich spielen unsere Hauptrundengegner hier und vielleicht auch unser Viertelfinalgegner, das ist also sportlich ganz wichtig für uns, die Trierer Gruppen zu verfolgen. Und persönlich interessiert mich als Ex-Mieze und Botschafterin natürlich die Stimmung und wie Trier sich als Gastgeber präsentiert. Ich hoffe wirklich sehr, dass das ein Handballfest in Trier wird.
Weg von der WM-Botschafterin zur Nationalmannschafts-Managerin – wie weit kommt die deutsche Mannschaft bei dieser WM?
Anja Althaus: Der Knackpunkt wird das Viertelfinale sein – nach der Papierform wartet dann entweder Norwegen oder Schweden. Ich hoffe natürlich, dass es Schweden wird. Aber wenn du eine Medaille gewinnen willst, dann musst du diese ganze Energie bündeln und auch Norwegen schlagen. Entscheidend wird ab dem Eröffnungsspiel für uns sein, dass wir das nicht als Druck wahrnehmen, vor heimischem Publikum zu spielen. Das Paradebeispiel war Ungarn bei der Heim-EM 2024. Niemand hatte sie vorher auf dem Zettel und am Ende haben sie Bronze gewonnen. Das haben sie geschafft, weil sie einfach frei aufgespielt haben und diese Euphorie aufgesogen haben. Das kann man 1:1 für uns übernehmen – alles ist möglich, du sollst von der Medaille träumen. Klar müssen wir etappenweise denken und nicht überdrehen und uns von der Erwartungshaltung erdrücken lassen. Aber ich gehe ja nicht in eine Heim-WM und bin zufrieden, wenn ich jetzt den siebten Platz erreiche.
In den vergangenen Jahren gab es aber meistens Plätze zwischen fünf und sieben …
Ja, das stimmt – und in den entscheidenden Spielen hat es nicht geklappt. Aber ich hoffe, dass wir diesen Schritt ins Halbfinale jetzt machen können mit dieser Euphorie, mit diesem Schwung, mit diesem Heimturnier, mit all dem, was jetzt drumherum passiert, dass die Mannschaft das wirklich aufnimmt, dass jede Spielerin ihre Rolle hundertprozentig erfüllt: Gib alles, spiel mit dem Adler auf der Brust, mit dem Stolz für Deutschland und reiß‘ alle mit. Dann ist alles möglich.
Sie standen bei der letzten deutschen Medaille einer deutschen Frauennationalmannschaft 2007 in Frankreich auf dem Feld. Wie fühlt sich das an, so ein Stück Edelmetall um den Hals?
Anja Althaus: Das ist dasselbe geniale Gefühl, wie ein Champions-League-Sieg. Du erfüllst dir einen Traum – und dann willst du dieses Gefühl, diesen Adrenalinschub, immer wieder spüren. Wir haben damals aus dem letzten Loch gepfiffen, aber wir haben es zusammen geschafft. Jede hat ihre Rolle gehabt, wir haben alles reingeschmissen und nicht groß drüber nachgedacht, was kann passieren, wenn ich jetzt einen Fehler mache. Es war neben den sportlichen Qualitäten diese mentale Bereitschaft, wie du auch mit Rückschlägen umgehst.
Wie geben Sie Ihre eigenen Erfahrungen aus fast 250 Länderspielen an die aktuellen Spielerinnen weiter?
Anja Althaus: Also prinzipiell mische ich mich nicht in Trainerentscheidungen ein, da hat jeder seinen Bereich. Werde ich gefragt, sage ich natürlich meine Meinung. Mit Spielerinnen bin ich ganz oft im Gespräch, und da geht es gerade um diese mentale Stärke. Ich habe ihnen gleich am ersten Tag gesagt: Das was ihr durchmacht, habe ich auch durchgemacht. Ganz ehrlich: wenn ich zurückblicke, wäre ich auch gerne abgezockter gewesen. Und das versuche ich den Spielerinnen zu vermitteln, ich versuche, sie darin zu bestärken, manchmal nicht alles auf die Goldwaage zu legen. Sie sollen einfach stolzer auf sich sein und was sie können. Und wenn etwas schiefgeht, einfach aufstehen, Kopf hoch, die Krone richten und weitermachen.
Weg vom Sportlichen: Als Nationalmannschafts-Managerin haben Sie ja auch viele organisatorische Aufgaben – liegt für die WM alles im Zeitplan?
Anja Althaus: Bei einer Heim-WM ist das natürlich viel einfacher als in anderen Ländern, weil die Planung ja in Händen des DHB liegt, zum Beispiel, was Hotels und Trainingshallen betrifft. Da sind wir jetzt schon in der Feinplanung mit Physiotherapeuten und dem Trainerstab. Natürlich bringe ich auch ein paar Sachen ein, die der Mannschaft helfen werden. Als Spielerin bekommst du ja gar nicht mit, wie viele Leute in eine solche Organisation eingebunden sind, deswegen bin ich jetzt auch begeistert, wie der DHB das alles organisiert.
Tickets für die Handball-Weltmeisterschaft der Frauen vom 26.11.-01.12.2025 in der SWT Arena in Trier gibt es auf www.worldhandball25.com